Reading time: 5 Minutes
Sie möchten sich bei der Arbeit besser konzentrieren können? Ein besseres Gedächtnis für wichtige Details ist der erste Schritt. Matthew Jenkin stellt fünf einfache aber kreative Strategien vor, mit denen Sie sich an das erinnern können, was Sie lesen.
Sie sitzen am Montagmorgen im Büro und versuchen, einen Artikel zu lesen, dessen Inhalt Sie sich für ein Meeting in dieser Woche merken müssen. Aber Moment, da kommt eine E-Mail Ihres Vorgesetzten, auf die Sie antworten müssen. Sekunde, das Telefon klingelt. Und Sally aus der Marketingabteilung gibt eine Teerunde. Ehe Sie es sich versehen, wurden Sie in so viele Richtungen abgelenkt, dass Sie alles vergessen haben, was Sie vor einem Moment gelesen haben. Kommt Ihnen diese Situation bekannt vor?
Eine Studie der University of California hat ergeben, dass wir täglich mit 34 GB an Informationen(1) bombardiert werden. Das ist doppelt so viel wie vor 30 Jahren. Bürokräfte werden durchschnittlich alle drei Minuten bei der Arbeit unterbrochen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass unsere Konzentrationsspanne immer kürzer wird.
Das digitale Zeitalter wirkt sich negativ auf unsere Gedächtnisleistung aus. Studien zeigen(2), dass aufgrund der einfachen und schnellen Auffindbarkeit von Informationen im Internet unser Erinnerungsvermögen (die Fähigkeit, Informationen im Gedächtnis aufzurufen) allmählich durch das Erkennungsvermögen (das Wissen, wo eine Information zu finden ist und wie auf sie zugegriffen werden kann) ersetzt wird.
Ob für Präsentationstechniken oder das Erlernen neuer Kompetenzen, ein gutes Gedächtnis ist eine Grundvoraussetzung für Erfolg im Beruf. Daher stellen wir Ihnen fünf Methoden vor, mit denen Sie Ihr Gedächtnis unterstützen können.
1. Denkpausen
Im Rahmen einer Studie der University of Texas(3) wurde festgestellt, dass man sich Dinge in Zukunft besser merken kann, wenn man einige Minuten innehält und über das Gelesene nachdenkt. Alison Preston(4), Professorin für Psychologie und Neurowissenschaft, fasst die Ergebnisse der Studie zusammen: «Durch das Wiederabrufen von Informationen in Ruhephasen werden nicht nur diese Erinnerungen gestärkt, auch die Aufnahmefähigkeit für zukünftige Informationen wird verbessert.»
Der schwedische Gedächtnissportler Idriz Zogaj rät dazu, während dieser Denkpause die eigene emotionale Reaktion auf das Gelesene zu ergründen. Wenn diese Grundlage geschaffen ist, besteht eine bessere Chance, dass die neuen Erinnerungen stark wahrgenommen werden und einfach abrufbar sind. Das liegt daran, dass unser Gehirn schneller und effizienter auf Emotionen reagiert(5). Das Gedächtnis wird somit durch Gefühle unterstützt(6).
Zogaj beschreibt das so: «Das mit der Erinnerung verbundene Gefühl ruft seinerseits weitere Erinnerungen über den Teil eines Buches oder über das gesamte Buch hervor.»
Indem Sie innehalten und Ihrem Verstand eine Pause gönnen, können Sie Informationen besser speichern und die Konzentration aufrechterhalten. Daniel Levitin, Autor und Professor für Psychologie, Verhaltensneurologie und Musik an der McGill University in Kalifornien, erklärt(7): «Menschen, die regelmässig Pausen oder sogar Nickerchen einlegen, sind letztendlich produktiver und kreativer bei der Arbeit. Das Gehirn braucht eine gewisse Zeit, um eingehende Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten.»
Unser Erinnerungsvermögen (die Fähigkeit, Informationen im Gedächtnis abzurufen) wird allmählich durch das Erkennungsvermögen (das Wissen, wo eine Information zu finden ist und wie auf sie zugegriffen werden kann) ersetzt.
2. Verteilte Wiederholung
Nach dem von Psychologen entwickelten Mehr-Speicher-Modell(8) gehen Informationen durch mehrmalige Wiederholung ins Langzeitgedächtnis über, wo sie (theoretisch) für immer gespeichert werden.
Die verteilte Wiederholung – also die regelmässige Eingabe von Informationen(9) in festen Zeitintervallen – ist meist eine wirksame Methode zum Speichern von Informationen im Gedächtnis. Diese Technik funktioniert, weil sie Lernprozesse zu einer Anstrengung macht. Das Gehirn reagiert auf diese Stimulierung wie ein Muskel und verstärkt die Verbindungen zwischen Nervenzellen. Durch immer längere Intervalle werden diese Verbindungen mit jeder Wiederholung weiter gestärkt. Auf diese Weise wird die Information langfristig gespeichert(10).
Eine einfache Anwendung der verteilten Wiederholung ist ein Karteikastensystem(11). Legen Sie Zeitintervalle fest, in denen Sie die Karten in jedem Abschnitt des Karteikastens abfragen. Wenn Sie eine Karte korrekt beantwortet haben, rückt sie in den nächsten Abschnitt weiter, der in längeren Zeitabständen abgefragt wird. Falls Ihre Antwort falsch ist, rückt die Karte in einen vorherigen Abschnitt zurück, der häufiger abgefragt wird.
3. Lesen und Schreiben auf Papier
Auch wenn es im digitalen Zeitalter altmodisch klingt, können sich Menschen besser auf Informationen konzentrieren und sich an diese erinnern, wenn sie sie auf Papier gelesen haben.
In einer Umfrage von 300 Studenten aus den USA, Japan, der Slowakei und Deutschland antworteten 92 % der Befragten(12), dass sie sich beim Lernen mit ausgedruckten Materialien besser konzentrieren konnten. Eine weitere Studie ergab, dass Leser die Handlung eines Mystery-Romans deutlich besser im Gedächtnis hatten, wenn sie ihn in der Druckversion anstelle des eBooks gelesen hatten(13).
Für Naomi S. Baron, eine Professorin für Linguistik, die an der Studie beteiligt war, ist der Grund hierfür offensichtlich: Digitale Geräte lassen viel mehr Spielraum für Ablenkungen. Daher können sich Leser viel schlechter auf den Inhalt eines Textes konzentrieren.
Die Forschung deutet auch darauf hin, dass der Stift mächtiger ist als die Tastatur(14). Durch das Aufschreiben von Notizen auf Papier verstehen Menschen die Konzepte dahinter besser, können diese besser anwenden und sie sich einfacher merken.
4. Mindmaps
Notizen können zwar als Gedächtnisstütze dienen, Sie müssen jedoch nicht jede Kleinigkeit aufschreiben. Die Mindmap wurde von Tony Buzan(15) als Lern- und Gedächtnishilfe entwickelt, als dieser im Studium nach einer effektiven Methode für Notizen suchte. Dabei handelt es sich um ein farbiges Diagramm mit einem zentralen Feld, das das Hauptproblem oder Hauptkonzept darstellt. Davon ausgehende Zweige enthalten dazugehörige Schlüsselwörter, von denen wiederum weitere Zweige ausgehen usw. Ein zentraler Aspekt für den Erfolg dieser Technik ist der Einsatz von Farben, Abbildungen und nicht linearen Strukturen zum einfacheren Verknüpfen von Erinnerungen.
«Die Mindmap selbst ist eine Abbildung, die man sich ansehen und einprägen kann“, schildert Idriz Zogaj. «Die visuelle Darstellung von Informationen ist die wirksamste Methode, um sich diese zu merken. Mindmaps können online auf der Website iMindMap(16) erstellt werden. Das Aufzeichnen auf Papier ist jedoch wirkungsvoller, da die Hand beschäftigt ist, während das Gehirn denkt.“
«Nehmen Sie das Blatt Papier am besten horizontal, damit Sie mehr Platz für die Mindmap haben“, fügt er hinzu. «Sie können sogar eine Mindmap zeichnen, während Sie einen Text lesen.“
5. Online-Tools
Wenn Papier und Stift zu kurz greifen, können Ihnen zahlreiche Apps weiterhelfen. Mit Eidetic(17) beispielsweise können Sie sich auf Grundlage der verteilten Wiederholung alle möglichen Informationen einprägen, von wichtigen Telefonnummern bis hin zu Fakten. Geben Sie einfach die Information ein, die Sie sich einprägen möchten. Die App erinnert Sie dann automatisch an fällige Abfragen. Die Zeitintervalle werden automatisch festgelegt, sodass die Informationen mit der Zeit im Langzeitgedächtnis gespeichert werden.
Mit 70 Millionen Nutzern ist Lumosity(18) eine der beliebtesten Apps für das Gehirntraining. Sie wurde von Neurowissenschaftlern entwickelt und soll das Gedächtnis und die Konzentration mit wissenschaftlich fundierten Spielen verbessern. Die Nutzer können drei kostenlose Spiele pro Tag spielen oder nach ihrer Registrierung auf über 40 Spiele zugreifen.
Für Menschen, die es oft eilig haben, bieten Schnelllese-Apps wie Spritz(19) die Möglichkeit, Texte in rasender Geschwindigkeit zu lesen (600 oder sogar 1000 Wörter pro Minute). Dies funktioniert über die sogenannte Rapid Serial Visual Presentation (RSVP). Bei dieser Methode werden die Wörter einzeln in der Mitte des Bildschirms angezeigt. Da die Augen nicht von Zeile zu Zeile oder von Absatz zu Absatz wandern müssen, können Sie sich auf eine Stelle des Bildschirms konzentrieren und die Wörter schneller lesen, die wie in einer Diashow in schneller Abfolge dargestellt werden. Die dadurch eingesparte Zeit können Sie zur Anwendung anderer in diesem Artikel vorgestellten Techniken nutzen, mit denen Sie sich das soeben Gelesene besser einprägen können.
Matthew Jenkin ist US-amerikanischer Journalist und ehemaliger Redakteur von Guardian Careers, dem Online-Portal rund ums Thema Arbeit der britischen Tageszeitung The Guardian.
Quellen:
(1) https://www.nytimes.com/2009/12/10/technology/10data.html
(2) https://www.rewireme.com/brain-insight/internet-affects-memory/
(3) https://news.utexas.edu/2014/10/20/reflection-boosts-learning
(4) https://cns.utexas.edu/component/cobalt/item/66-other/1313-preston-alison?Itemid=289
(5) http://www.hrdpress.com/site/html/includes/items/SBEI.html
(6) http://www.memory-key.com/memory/emotion
(7) https://www.kqed.org/mindshift/37711/why-daydreaming-is-critical-to-effective-learning
(8) https://www.kqed.org/mindshift/37711/why-daydreaming-is-critical-to-effective-learning
(9) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1876761/
(10) https://www.supermemo.com/english/ol/background.htm
(11) https://www.youtube.com/watch?v=33DIo8iU7ws
(12) https://www.washingtonpost.com/posteverything/wp/2015/01/12/the-case-against-kindle-why-reading-paper-books-is-better-for-your-mind-and-body/?noredirect=on&utm_term=.eb845123558c
(13) https://www.researchgate.net/profile/Jose_Pedroza_Carneiro/post/
What_positive_or_negative_experiences_can_provide_me_with_regard_to_the_introduction_of_e-readers_in_the_documentation_centers_of_universities/attachment/59d63757c49f478072ea4c08/
AS%3A273684940427264%401442262984768/download/Readers+absorb+less+on+Kindles+than+on+paper.docx
(14) http://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/0956797614524581
(15) https://www.irishtimes.com/business/how-tony-buzan-used-mind-maps-to-doodle-his-way-to-millions-1.2230977
(16) https://imindmap.com/
(17) https://play.google.com/store/apps/details?id=com.yourelink.Eidetic&hl=en_GB
(18) https://www.lumosity.com/
(19) http://spritzinc.com/