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Der Schlüssel zur effektiven Leitung eines Remote-Teams liegt in der Kommunikation und im Aufbau fester Beziehungen. Etan Smallman berichtet.
Auch wenn ein schöner Fensterplatz, flexible Arbeitszeiten und Zugang zu einer schicken Kaffeemaschine jeden Job angenehmer gestalten, sind diese Faktoren reine Nebensache im Vergleich zur Rolle des Vorgesetzten(1).
Laut der Studie State of the American Workplace(2) von Gallup aus dem Jahr 2017 haben etwa die Hälfte aller Arbeitnehmer in den USA ihren Job wegen ihres Vorgesetzten gekündigt. Nur 21 % aller Arbeitnehmer fühlen sich durch ihren Vorgesetzten zu Höchstleistungen angespornt. Andererseits zeigen andere Studien(3), dass ein Vorgesetzter, der sein Team motivieren kann, eine höhere Produktivität und niedrigere Mitarbeiterkosten erzielt.
Sie als Teamleiter fragen sich möglicherweise, wie Sie zur zweiten Kategorie von Führungskräften gehören können – besonders, wenn Sie ein Team aus Telearbeitern leiten. Glücklicherweise kann der Bestsellerautor und Glücksexperte Andy Cope(4) in dieser Hinsicht weiterhelfen. Er hat über zehn Jahre lang erforscht, wie eine positive Grundhaltung andere Menschen inspiriert, und betont, dass eine Führungspersönlichkeit nicht nur andere inspirieren, sondern auch selbst inspiriert sein muss.
Nach der Veröffentlichung seines neuesten Buchs «Leadership: the Multiplier Effect»(5) geht er im Gespräch mit uns darauf ein, wie seine Theorien auf die neue flexible Arbeitswelt anwendbar sind.
Was sind die wichtigsten Zutaten für eine gute Führungspersönlichkeit und wie hat sich die Denkweise diesbezüglich in den letzten Jahren verändert?
Andy Cope: Früher herrschte die Ansicht vor, dass ein Vorgesetzter seine Mitarbeiter laufend überwachen, ihnen über die Schulter schauen und sie herumkommandieren sollte und dass die Mitarbeiter tun, was man ihnen aufträgt, solange man die direkte Aufsicht führt. Das war natürlich nicht unbedingt der Fall. Bei vielen Menschen hatte ein solch autoritärer Führungsstil jedoch den Effekt, dass sie sich zurücklehnten, sobald der Vorgesetzte nicht hinsah.
Zum Glück hat sich die Arbeitswelt in letzter Zeit sehr verändert. Es gibt zwar immer noch Führungskräfte, die ihre Macht mit solch kontraproduktiven Methoden ausüben, moderne Führungspersönlichkeiten hingegen spornen ihre Mitarbeiter dazu an, die an sie gestellten Erwartungen aus eigenem Willen zu übertreffen.
Das ist leichter gesagt als getan. Sie müssen Ihre Mitarbeiter dazu bringen, an Sie zu glauben, und sich ihren Respekt und ihr Vertrauen erwerben.
Welche Rolle spielt Inspiration dabei?
AC: Viele Menschen denken, dass eine Führungskraft das gesamte Team inspirieren muss. Das ist aber nicht der Fall. Meine Forschung basiert auf dem Grundsatz, dass Inspiration bei einem selbst anfängt.
In den 1980ern warb(6) ein britischer Hersteller von warmem Frühstücksbrei mit dem Spruch: «Zentralheizung für Kinder». In dieser Werbung ass ein Junge eine Schüssel Brei und war danach von einem orangefarbenen Schein umgeben. Auf dem Weg zur Schule mit seinen Freunden übertrug sich dieser Schein auch auf die anderen Kinder. In etwa so stelle ich mir moderne Führungskräfte vor. Um Ihren Mitarbeitern Motivation, Begeisterung und Optimismus einzuflössen, müssen Sie zuallererst selbst inspiriert sein.
Die moderne Welt verlangt uns einiges ab und viele Menschen ächzen unter langen Arbeitszeiten. Die Frage ist also, wie Sie Ihre Energie und Leidenschaft am besten aufrechterhalten. Meine Doktorarbeit bezog sich auf das Thema Glück, Optimismus und Fortschritt im britischen öffentlichen Sektor(7). Darin habe ich Menschen beobachtet, die ihre Mitmenschen motiviert und inspiriert haben. Ich nenne diese Personen die zwei Prozent. Diese Benennung bezieht sich auf die zwei Prozent der Bevölkerung, die am glücklichsten, optimistischsten und dynamischsten sind. Diesen zwei Prozent sollten gute Führungskräfte nacheifern.
Vorgesetzte sollten dies als aufregende Gelegenheit betrachten. Sie erhalten die Chance, eine positive Kettenreaktion aus Glück und Optimismus auszulösen, die sich auf Ihr Team, auf Ihre Kunden und darüber hinaus überträgt.
Bestseller-Autor und Glücksexperte Andy Cope
Ist dies für Leiter eines Teams aus Telearbeitern nicht besonders schwierig?
AC: Ich stelle Menschen häufig die Frage: «Würden Sie einen Mietwagen putzen, bevor Sie ihn zurückgeben?» Die meisten Menschen verneinen dies, weil das Auto nicht ihnen gehört und sie sich nichts daraus machen. Wenn Sie die Frage jedoch auf das eigene Auto ummünzen, fällt die Antwort schon ganz anders aus. Beim eigenen Auto nehmen sich Menschen die Zeit, um es sauber und in gutem Zustand zu halten. Bei der Arbeit ist es nicht anders. Als Führungskraft muss es Ihr Ziel sein, dass Ihre Mitarbeiter ihren Job wichtig nehmen und Verantwortung dafür übernehmen wollen.
Bei Telearbeit kommt es besonders auf Kommunikation und Vertrauen an. Der amerikanische Psychotherapeut Dr. John Gottman hat 40 Jahre mit der Erforschung der positiven Kommunikation(8) verbracht. Nach seiner Empfehlung sollten wir am Arbeitsplatz dreimal so positiv wie negativ sein. Für jeden Kritikpunkt, den Sie einem Kollegen gegenüber äussern, müssen Sie also zum Ausgleich drei positive Dinge sagen.
Für ein besonders leistungsstarkes Team empfiehlt Dr. Gottman sogar ein Verhältnis von sechs positiven Aussagen für jede kritische(9).
Welche Eigenschaften sollten Vorgesetzte und Telearbeitern versuchen zu entwickeln?
Für moderne Führungskräfte kommt es vor allem auf drei Dinge an: Beziehungen, Beziehungen, Beziehungen. Bei Telearbeitern ist es besonders wichtig, dass Sie eine emotionale Verbindung zu Ihren Mitarbeitern aufbauen. Sie müssen sich in sie hineinversetzen können und verstehen, wie Sie das Beste aus ihnen herausholen können.
Dabei erfordert jeder Mitarbeiter eine andere Herangehensweise. In meinem Team aus Telearbeitern gibt es Menschen, die ich jeden Tag anrufen muss, um sie zu motivieren und zu fragen, wie es läuft. Anderen wiederum ist es lieber, wenn sie nur einmal im Monat über Skype von mir hören. Man muss für jeden Mitarbeiter das richtige Mass an Kommunikation finden.
Wie können Sie das Beste aus Telearbeitern herausholen?
Betrachten Ihre Mitarbeiter ihre Arbeit als Job, Karriere oder Berufung? Die Antwort auf diese Frage entscheidet darüber, wie Mitarbeiter ihre Aufgaben angehen. Wenn sie ihre Arbeit nur als Job betrachten, ist ihr Engagement eher gering. Wenn sie sie als Karriere betrachten, ist ihr langfristiges Engagement im Idealfall höher. Das höchste Engagement können Sie von Mitarbeitern erwarten, die ihre Arbeit als Berufung betrachten.
Während der Forschungen für meine Doktorarbeit entdeckte ich, dass die zuvor erwähnten zwei Prozent ihre Arbeit als Karriere oder Berufung betrachten. Sie erkennen einen höheren Sinn in dem, was sie tun. Während ein Aussenstehender eine Stelle in einem Callcenter möglicherweise nur als Job betrachtet, sehen die zwei Prozent einen Wert darin, Kunden zu helfen, und leiten einen höheren Sinn aus ihrer Rolle ab, der mehr bedeutet, als nur seine Brötchen zu verdienen.
Telearbeit beruht auf motivierten Mitarbeitern, da diese nicht durchgängig beaufsichtigt werden können. Im Rahmen einer Umfrage(10) von Gallup zum Thema Motivation am Arbeitsplatz wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie der folgenden Aussage zustimmen würden oder nicht: «Ich bin jemandem im Unternehmen wichtig.» Ausserdem wurden die Teilnehmer nach ihrer allgemeinen Zufriedenheit gefragt.
Wenn jemand antworten kann «Ich bin meinem Vorgesetzten als Person wichtig», wirkt dies in jeder Hinsicht wie ein Wunderelixier in Sachen Motivation.
Sie müssen besonderes Augenmerk auf die menschliche Verbundenheit zu Ihrem Team aus Telearbeitern legen. Sie können natürlich wöchentliche Video- oder Telekonferenzen zur Prüfung der Verkaufszahlen abhalten, müssen jedoch auch ehrliches Interesse an den Personen selbst zeigen. Wenn Mitarbeiter an Sie und Ihr Unternehmen glauben sollen, müssen Sie den ersten Schritt machen und ihnen beweisen, dass sie Ihnen etwas bedeuten.
Etan Smallman ist ein britischer Journalist, dessen Artikel in Zeitungen wie The Guardian, The Times, The Daily Telegraph und The South China Morning Post veröffentlicht wurden.
Quellen:
(1) http://www.cityam.com/1418087411/secret-happiness-good-boss
(2) https://www.nytimes.com/2018/08/06/smarter-living/how-to-deal-with-a-bad-boss.html
(3)https://hbr.org/resources/pdfs/comm/achievers/hbr_achievers_report_sep13.pdf
(4) https://www.artofbrilliance.co.uk/meet-the-team/andy-cope
(5) https://www.hodder.co.uk/books/detail.page?isbn=9781473679450
(6) https://grocerytrader.co.uk/ready-brek-returns-to-tv-and-brings-central-heating-for-everyone/
(7) https://www.artofbrilliance.co.uk/resources/research
(8) https://www.gottman.com/professionals/
(9) https://greatergood.berkeley.edu/article/item/getting_the_ratios_right
(10) https://news.gallup.com/businessjournal/28561/fifth-element-great-managing.aspx